Geschichte

Foto: Vicky Jeanty
 


Heinrich Mayr und Helmut Pawel begrüßten mit Erwin Brandner (Mitte) das 50. Mitglied des Fördervereins Heimatmuseum Pöttmes. Die kleine Aufnahmezeremonie fand im Obergeschoss des Kaschenbaueranwesens, dem künftigen Heimatmuseum statt. Hier wurde Erwin Brandner vor 67 Jahren geboren.

Erwin Brandners Mutter Martha und weitere Familienmitglieder wurden nach dem Krieg aus dem Sudetenland vertrieben und kamen nach Pöttmes. Sie heiratete Josef Brandner aus Pöttmes, das Ehepaar bekam drei Kinder.

1946 gehörten sie zu den zahlreichen Sudentenflüchtlingen, die in Pöttmes ein neues Zuhause fanden. Sie heiratete im März 1949 den jungen Pöttmeser Metzger Josef Brandner,

Sein Geburtszimmer ist im Heimatmuseum.

 

Geschichte  

Erwin Brandner wurde vor 67 Jahren im Kaschnbaueranwesen geboren. Das Anwesen ist eines der ältesten Häuser der Marktgemeinde Pöttmes. Jetzt ist Brandner das 50. Mitglied im Förderverein Heimatmuseum

Der Ort, an dem man zur Welt kommt, bekommt gelegentlich erst im Nachhinein eine besondere Bedeutung. Bestenfalls bedingt durch einzigartige Ereignisse, mit denen niemand gerechnet hatte. Erwin Brandners Hausgeburt im Kaschnbaueranwesen in der Marktstraße in Pöttmes war anno 1948 mit Sicherheit nichts Außergewöhnliches. Außergewöhnlich wurde sie erst, seit besagtes Anwesen als künftiges Heimatmuseum dienen soll. Dass Brandner vor Kurzem auch noch als 50. Mitglied im Förderverein Heimatmuseum willkommen geheißen wurde, war für die Vorstände Helmut Pawel und Heinrich Mayr Anlass genug für eine kleine Willkommenszeremonie. Am einzig passenden Ort, im Geburtszimmer im Obergeschoss des Kaschnbaueranwesens, händigten sie Erwin Brandner die Urkunde aus.

Das 1808 erbaute Anwesen gehört mit zu den ältesten Häusern in Pöttmes. Das denkmalgeschützte Haus liegt am Fuße der Pfarrkirche St. Peter und Paul, angrenzend sind zwei Scheunen samt kleinem Hofplatz. Als die Vorfahren von Erwin Brandner 1946 hier einquartiert wurden, betrieb die Familie Paula mit ihrem Sohn Georg eine kleine Landwirtschaft. In den Ställen standen Kühe, es gab Schweine und Hühner. Erwin Brandners spätere Mutter Martha, deren jüngere Schwester Christa, die Großmutter Franziska Kröpl und deren über 80-jährige Mutter Anna Schwarz waren als Flüchtlinge nach Pöttmes gekommen. Sie stammten ursprünglich aus Niemsching, Kreis Krummau im Sudentenland. Wie viele andere Sudetendeutsche, mussten sie nach Kriegsende ihre Heimat verlassen. 1946 waren in der damaligen Tschecheslowakei die sogenannten Benesch-Dekrete in Kraft getreten. Diejenigen unter den Sudetendeutschen, die sich weigerten, die tschechische Nationalität anzunehmen, wurden enteignet und aus der Heimat vertrieben. Der größte Teil der fast einer Million Vertriebenen kam nach Bayern in verschiedene Flüchtlingslager. So erging es den vier oben genannten Frauen, die nach einer Zwischenstation in Aichach der Familie Paula in Pöttmes zugeteilt wurden. Der Ehemann von Franziska Kröpl, Brandners späterer Großvater, war in Kriegsgefangenschaft geraten war und sollte erst 1955 seine Familie in Pöttmes wiedersehen.

Die vier Frauen bekamen im Kaschnbaueranwesen zwei kleine Zimmer mit Kochgelegenheit im Obergeschoss des Wohnhauses der Familie Paula zugewiesen. „Die Familie war bestimmt nicht erfreut, dass sie vier Personen aufnehmen musste“, mutmaßt Erwin Brandner. Das Anfangs angespannte Verhältnis zu dem Landwirtsehepaar verbesserte sich im Laufe der Zeit. Die Frauen halfen im Stall und bei der Feldarbeit mit. Dafür habe die Bäuerin manchmal einen Krug Milch auf die Treppenstufe gestellt, erzählte später die Mutter ihrem Sohn. Die damals 20-jährige Martha Kröpl war ein unternehmungslustiges, fleißiges, geselliges und sportliches junge Mädchen. Sie spielte Handball im Verein, besuchte Vereinsfeiern und Faschingsbälle. Freundschaften entwickelten sich, vor allem zu dem jungen Metzger Josef Brandner, der sich in die hübsche Böhmerwäldlerin Martha verliebte. Sie wurde schwanger und gebar am 20. September 1948 mit Hilfe der allseits bekannten Hebamme, der „oiden Weberin“, im Obergeschoss des Kaschenbaueranwesens einen Jungen. Er wurde auf den Namen Erwin Josef Brandner getauft.

Marthas damals siebenjährige Schwester  Christa, die man in dem Glauben gelassen hatte, der Klapperstorch habe den kleinen Buben gebracht, war von dem Neffen begeistert. Martha und ihr kleiner Sohn Erwin sollten nicht mehr lange im Kaschnbaueranwesen wohnen bleiben. Nach der Hochzeit im März 1949 zog die junge Familie in das Haus von Josef Brandners Eltern in der Augsburgerstraße. Die restlichen Familienmitglieder wohnten bis 1953 bei den Paulas, erst dann bezogen sie eine eigene Wohnung. Bis dahin waren der kleine Erwin und seine Eltern regelmäßig zu Besuch im Kaschnbaueranwesen.

Brandners Kindheitserinnerungen an sein Geburtshaus sind vage und wurden erst vor einigen Tagen aktualisiert. Nach über 60 Jahren betrat der heute 67 jährige Erwin Brandner zum ersten Mal wieder das Haus, in dem er zur Welt gekommen war. Die unteren Räume bewohnte das Ehepaar Paula: „Da sind wir nie reingegangen“, sagt Brandner. Präsenter ist dafür die enge, steile Holzstiege, die in den ersten Stock und von da in die zwei kleinen, niederen Zimmer führt. In einem dieser Zimmer wurde Brandner geboren. Vielleicht lag er sogar in dem kleinen hölzernen Stubenwagen, der völlig verstaubt in einer Ecke steht, mutmaßen Helmut Pawel und Heinrich Mayr.

Für die Vorstände des Fördervereins Heimatmuseum und für Erwin Brandner selbst lag es auf der Hand, dass er Mitglied in dem Verein wird, der seinem Geburtshaus als künftiges Heimatmuseum eine historische Grundlage verschafft.
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