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Unsere Bäume-stille Zeitzeugen

Mary-Ann Stotko • 17. März 2024

Franz Herzig (*22.02.1955)

Wissenschaftliches Vorgehen zum Thema Klima und Wandel, ein Dendrochronologe aus Osterzhausen erzählt

Franz Herzig wurde am 22. Februar 1955 als uneheliches Kind in Friedrichshafen am Bodensee geboren. Bis er zur Adoption freigegeben wurde, verbrachte er die ersten Jahre seines Lebens in einem Kinderheim. Schon seit seiner frühen Kindheit interessierte sich Franz Herzig für die Natur: Das Bestimmen von Pflanzen und Tieren, oder auch die Konstellationen des
Sternenhimmels wurden zu seinen Hobbys. Ein Berufswunsch in diese Richtung, auch den des Försters, war in den 60er und 70er Jahren für Kinder aus einfachen Verhältnissen kaum zu verwirklichen. Mit 17 Jahren verließ er sein Elternhaus um in Freiburg eine Ausbildung zum CTA (Chemisch-Technischer Assistent) zu beginnen. Nach Ableistung des damals noch
15monatigen Grundwehrdienstes als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr holte Franz Herzig das Fachabitur beim Kolping-
Kolleg in Freiburg nach und peilte ein Studium der Forstwissenschaft in der Fachhochschule Hohenheim an. Doch es
kam anders. Der Weg, der ihn dann zur Dendrochronologie, das heißt Holzaltersbestimmung, führte, war reiner Zufall.
1979 wurden durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg und der Uni Freiburg am Institut für Ur- und Frühgeschichte ein neues archäologisches Projekt aus der Taufe gehoben und eine Technikerstelle ausgeschrieben, deren Tätigkeitsfeld die
Bergung und Untersuchung von massenhaft anfallenden organischen Grabungsfunden aus Feuchtbodengrabungen von
vorgeschichtlichen Moor- und Seeufersiedlungen (auch als Pfahlbauten bezeichnet) umfasste. Damit sollten die durch den zweiten Weltkrieg unterbrochenen Forschungen wieder aufgenommen werden. Aus den Grabungen entlang des deutschen Bodenseeufers und in oberschwäbischen Mooren wurden neben Scherben, Knochen und Steinwerkzeugen vor allem organisches Material wie Konstruktionshölzer, Holzwerkzeuge, Pflanzenreste in Form von Getreide, Samen und Pollen in riesigen
Mengen geborgen. Im sauerstofffreien und wassergesättigten Milieu der Moor- und Seeablagerungen waren Holz und andere
organische Reste über die Jahrtausende erhalten geblieben. Mit teils neuen naturwissenschaftlichen Anwendungen, wie der Dendrochronologie, der Bestimmung von pflanzlichen Makroresten und der Palnyologie (Pollenanalyse), war es möglich zu
erforschen, mit welchen Landschaftsformen frühe Siedler konfrontiert waren, welche Hölzer verwendet und welche Kulturpflanzen angebaut wurden. Die dendrochronologischen Untersuchungen der Hölzer ermöglichte eine jahrgenaue Bestimmung der Fälldaten von Bäumen und die Ermittlung des Pollenspektrums erlaubte es, die Klimaperioden zu bestimmen.
Für die Untersuchung dieser Funde wurde ein Mitarbeiter mit botanischen Grundkenntnissen gesucht. Einem WG Mitbewohner
wurde die Stelle angeboten Da er sich noch nie mit organischem Fundmaterial befasst hatte, lehnte er die Offerte ab, empfahl aber seinem Mitbewohner Franz Herzig, dessen Spleen, sich der über Jahre stapelnden vertrockneten und herbarisierenden
Pflanzen der WG-Bewohner anzunehmen in der WG bekannt war, sich zu bewerben. Eigentlich konnte er sich nichts darunter
vorstellen, dachte aber, ‚Warum nicht? Förster kann ich später immer noch werden‘. Mit 22 Jahren begann für Franz
Herzig ein neues Leben als Angestellter der Universität Freiburg. Die Pollenanalytikerin Frau Dr. Liese-Kleiber führte ihn in die
grundlegenden Techniken der Mikroskopie an Pflanzen, Holz und Pollen ein, der Archäologe Dr Helmut Schichtherle, Spezialist für Feuchtboden- und Wirtschaftsarchäologie, in die Aufbereitung und mikroskopische Vorbestimmung von Getreideresten, Samen und Früchten aus archäologischen Schichten. Das erste Labor war in einer ehemaligen Lehrerwohnung in Ludwigshafen am Bodensee untergebracht. Feuchtbodenarchäologie nahm bereits in den 70er Jahren an Bedeutung zu, denn aus organischem Material gewann man ganz neue Ergebnisse hinsichtlich Klima und Lebensweisen der Menschen die 6000 Jahre zurückreichten. Das Projekt wuchs kontinuierlich. Größere Räumlichkeiten waren nötig und man bezog ein Schulhaus in Hemmenhofen. Mehr Mitarbeiter wurden eingestellt und differenzierte Teilgebiete kamen dazu. Franz Herzig entschied sich für Dendrochronologie und wurde 1982 von den Professoren Becker und Ruoff in Hohenheim und Zürich in die Methode der Dendrochronologie eingewiesen. Er arbeitete an verschiedenen Grabungen Baden-Württembergs und in Laboratorien Stuttgarts, Freiburgs, Tübingens und Zürichs. Es gab immer mehr zu tun und als die Taucharchäologie dazu kam, fielen zigtausend Holzfunde an, die alle bestimmt und datiert werden mussten.
Im Jahr 1989 sollten die pfahlbauarchäologischen Forschungen auch auf bayerische Fundorte ausgedehnt werden. Hier bot sich
nun für Franz Herzig die Möglichkeit, erstmals selbständig ein Feldlabor in Pestenacker bei Landsberg zu leiten. Er sagte Baden-Württemberg ade und arbeitete von nun an für das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, um die Holzfunde der  steinzeitlichen Siedlungen Pestenacker und Unfriedshausen zu untersuchen. Als das Labor zuerst nach München und endgültig in das Kloster Thierhaupten verlagert wurde (wo das Denkmalamt verschiedene Fachabteilungen ansiedelte) erstreckte sich sein
Zuständigkeitsbereich für die Holzfunde auf ganz Bayern. Seine Aufgabe bestand darin Bodendenkmäler, d.h. Funde aus Holz wie Balken, Werkzeuge und Pfähle zu untersuchen, zu datieren und zu katalogisieren. Er reiste viel zu Grabungen an verschiedenen Fundorten. Dazu gehörten auch Kiesgruben, wo er Mooreichen bergen musste. Mooreichen sind wichtig für die
Grundforschung, weil sie es ermöglichen Daten lückenlos bis ins 8. Jahrtausend v. Chr. zu ermitteln. Damit kann eine  Chronologie, d.h. ein durchgehender Kalender aufgebaut werden.
Mittlerweile ist Franz Herzig zwar im Ruhestand, aber sein Herz schlägt weiterhin für die Wissenschaft rund um die Dendrochronologie. Förster ist er nicht geworden, aber das leidenschaftliche Interesse an wissenschaftlichen
Erkenntnissen, die uns die Natur liefert, lässt ihn nicht los und so sind die Bäume noch über das Berufsleben hinaus seine
ständigen Begleiter.

Infobox
Die Dendrochronologie ist die einzige naturwissenschaftliche Methode, die eine exakte Altersbestimmung der Fälljahre von
historischen Hölzern ermöglicht. Sie wird zur kalendarischen Datierung von Holz eingesetzt. Mit dieser Forschungsmethode
kann man frühere klimatische und ökologische Entwicklungen rekonstruieren und Klima Entwicklungen vergangener
Zeiten erforschen.
Palnyologie: Untersuchung von Pollen (Blütenstaub). Über die Zusammensetzung des Pollenspektrums einer Fundschicht
lässt sich ableiten welche Waldgesellschaften zur Zeit der Siedlung vorherrschten, welche Pflanzen angebaut und genutzt
wurden.
Ein Thema, das uns heute im Rahmen des Klimawandels mehr denn je beschäftigt.
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