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Man fühlt sich heimelig in Pöttmes

Mary-Ann Stotko • 11. Dezember 2024

Richard Steib (*12.06.1942)

Richard Steib wurde im Jahre 1942 in Wanne-Eikel (seit 1975 Herne) im Ruhrgebiet geboren. Ein Jahr später ging die Ehe seiner Eltern in die Brüche: Sie ließen sich scheiden. Die tiefe Zwietracht zwischen den Eltern hatte für Richards Leben schwerwiegende Konsequenzen. Seine Mutter zog zu ihrer Mutter nach Salzgitter in Niedersachsen. Dort arbeitete sie als Sekretärin. Sein Vater wohnte in Pöttmes beim Uhrmacher Kroll, wo er seine Lehre absolvierte. In späteren Jahren übernahm er das Geschäft auf Leibrente.  Anfangs, als kleiner Bub, wohnte Richard bei der Mutter. Doch später wurde sein Aufenthaltsort durch Gerichtsurteile bestimmt. Alle halben Jahre wurde er zwischen der Mutter in Salzgitter and dem Vater in Pöttmes hin und her geschoben.
Richards Schulbildung litt sehr darunter, denn zur damaligen Zeit begann das Schuljahr in Niedersachsen zu Ostern, in Bayern aber im September. Das heißt der Junge landete bei den halbjährlichen Umzügen, von einem Elternteil zum anderen, immer zwischen den Schuljahren. Dazu kam das Durcheinander beim Religionsunterricht. Richard wusste nicht, wo er hingehörte. Der Vater behauptete er sei katholisch, die Mutter, er sei evangelisch. Er besuchte Mal den katholischen, mal den evangelischen Unterricht. Eines Tages drückte ihm der Pöttmeser Pfarrer einen Katechismus mit zugeklebtem Hakenkreuz in die Hand. Nach einer kurzen Vorbereitung empfing der 10-Jährige die Kommunion und drei Monate später die Firmung. Somit waren wenigstens die konfessionellen Zugehörigkeitsverhältnisse ein für allemal geklärt.
Mit 14 Jahren verließ Richard nach der 9. Klasse die Schule. Er machte von 1957 bis 1960 eine Schlosserlehre bei den Hüttenwerken Salzgitter AG. Danach arbeitete er in einem Betrieb und absolvierte die Vorprüfung für den staatlich geprüften Techniker.
Auf Drängen des Onkels und seines Vaters zog Richard 1962 nach Pöttmes. Er begann beim Vater eine Lehre als Uhrmacher und wohnte mit im Haus. 1965 schloss er die Lehre ab. Das Verhältnis zum Vater war schwierig. Sein Vater wollte wieder heiraten und ging auf Brautschau. Dazu nahm er seinen Sohn immer mit. Wenn Richard Steib heute darüber nachdenkt, dann kommt es ihm wie die Blaupause in einem Loriot Sketch vor. Nach jeder Begegnung mit einer potenziellen Braut fragte ihn der Vater: „Ist das was für mich?“ Schließlich entschied er sich und heiratete eine Frau mit zwei Töchtern. Richard fühlte sich, wie das dritte Rad am Wagen. Es dauerte nicht lange, da wies sein Vater ihm die Tür und sagte: „Ich will Dich nicht mehr sehen“. 17 Jahre herrschte Funkstille zwischen Vater und Sohn.
Im Nachhinein wirkte sich das zum Positiven aus. Richard lernte Gerda Schmaus 1963 beim Tanz in den Mai in der Pöttmeser Gaststätte „Ochsnwirt“ kennen. 1966 heiratete das Paar in Pöttmes. Richard arbeitete in Neuburg und legte zeitgleich die Meisterprüfung zum Uhrmacher ab. Die Neuvermählten bezogen eine Wohnung in Rohrenfels. Zu der Zeit stürzte die Quarz Technologie das mechanische Uhren Geschäft in die Krise. Richard Steib erkannte, dass der Beruf keine wirkliche Zukunft mehr hatte und absolvierte eine Optikerlehre in Nördlingen. Unermüdlich und vielseitig interessiert, wollte er dann auch die Prüfung zum Optikermeister machen. Dies erforderte einen Umzug nach Nürnberg. In Gerda Schmaus hatte Richard eine Frau gefunden, die ihm treu und ohne Heimweh zur Seite stand. 1972 kam die Tochter Annette zur Welt. Oft besuchte die Familie die Schwiegereltern an Wochenenden in Pöttmes. An einem Samstagvormittag spazierte Annette in das Uhrengeschäft Steib und ließ sich dort die Ohren stechen und fragte: „Weißt Du, wem Du gerade die Ohren gestochen hast?“  „Nein“, erwiderte der Herr. „Na deiner Enkelin!“ meinte sie. Danach fanden Richard mit Familie und sein Vater langsam wieder zusammen.
Im Jahr 1983 starben Richards Vater und seine zweite Frau. Ihre Töchter hatten das Geschäft im Visier und unternahmen juristische Schritte, um ihre Position zu stärken. Als einziges leibliches Kind des Inhabers erbte Richard das Geschäft und zahlte die Töchter aus. Anfangs wurde das Geschäft an Frau Schiffelholz vermietet.
 Im Jahre 2003 zog Richards Tochter, ebenfalls ausgebildete Optikerin, von Nürnberg nach Pöttmes und übernahm den Betrieb. Zwei Jahre danach ging Richard in Rente und machte Pöttmes zu seiner dauerhaften Heimat.
Dankbar gedenkt er seiner Schwiegereltern, die ihn so gut aufnahmen. Bei ihnen fand er die familiäre Geborgenheit, die ihm als Kind und Jugendlicher verwehrt wurde. Mit Dank erfüllt ihn das Glück einer 58-jährigen Ehe. Vor allem schätzt er die Liebe und in allen Lebenslagen treue Unterstützung seiner Ehefrau. „Das Leben gemeinsam meistern“ ist sein Motto! Das galt für Richard und Gerda im privaten und beruflichen Miteinander. Gerda passte sich einem der drei Berufsausbildungen ihres Mannes an: Als Älteste in der Berufsschule begann sie 1980 die dreijährige Optikerausbildung und brachte sich anschließend all die Jahre im Betrieb ein.
Alle drei Berufe die Richard Steib im Laufe seines Berufslebens erlernte und teils ausübte, empfindet er als zufriedenstellend, weil sie anderen weiterhelfen: Der Schlosserberuf bescherte ihm technisches Wissen, womit er Kunden helfen konnte. Durch die Uhrmacherei wird die Zeit wieder ablesbar und als Optiker ermöglicht man klare Sicht.
„Ich bin kein heimatverbundener Mensch“, sagt Richard Steib und nimmt damit Bezug auf sein Aufwachsen ohne festen Wohnsitz. Er fühlt sich dort wohl, wo sein Umfeld stimmt. Und das trifft auf Pöttmes zu: „Auf dem Lande ist es einfach schön. Man ist hier aufgenommen, man redet miteinander, man kennt sich, man fühlt sich heimelig. In der Jugend mag man sich, aber im Alter braucht man sich!“ fügt der Zweiundachtzigjährige nachdenklich hinzu.
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