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Hans Mühlpointner: Landwirt, Erzähler, Dichter

Mary-Ann Stotko • 9. Dezember 2024

Johann Mühlpointner (* 24.Juli 1939)

Hans Mühlpointners Lebensgeschichte führt uns zurück in die Härte vergangener Zeiten, bevor die Menschenwürde in der UN-Charta von 1948 und in unserem Grundgesetz verankert und in den Köpfen und Herzen unserer Gesellschaft verinnerlicht wurde. Schutzbedürftigkeit war noch Zukunftsmusik. Für Frauen und Kinder hieß es: Gehorcht - erfüllt Eure Pflicht!
Vor über achtzig Jahren ging es im Leben vieler Menschen insbesondere auf dem Lande hauptsächlich um‘s Überleben. Harte Arbeit bestimmte den Alltag, auch für Hochschwangere kurz vor der Niederkunft. Am 24. Juli 1939 setzten bei Maria Mühlpointner starke Wehen ein, sie wollte nicht mit auf‘s Feld. Doch ihr Mann bestand darauf. Gebückt beim Mähen, mit der Sense in der Hand, platzte die Fruchtblase. Der Ehemann eilte nach Pöttmes um die Hebamme zu holen. Bis sie eintraf, lag der kleine Hans schon in seinem Bettchen und strampelte mit den Füßen.
Als Bub war Hans Mühlpointner klein, zierlich und ängstlich. In Kriegszeiten hineingeboren, erlebte er, wie die Frauen hart arbeiten mussten, um den Hof umzutreiben und die Kinder zu versorgen. Er beobachtete, wie Flüchtlinge, Heimatvertriebene, Zwangsverschickte und Evakuierte aus den zerbombten deutschen Städten nach Pöttmes und auch nach Schorn strömten. Dort mußten sie von den Einheimischen notdürftig untergebracht und teils auch mitversorgt werden. Er half bei der nächtlichen Feldarbeit, tagsüber war diese wegen Fliegerangriffen zu gefährlich. Hans erinnert sich an die Angst vor den Bombenangriffen, die entsetzliche Armut und Hungersnot der Geflüchteten, den bestialisch stinkenden und überquellenden Abort und auch den Graben, in dem tote Tiere entsorgt wurden: Die Welt seiner frühen Kindheit.
Nachdem die Magd ihn am ersten Schultag am Schulgebäude abgeliefert hatte, fürchtete sich der Bub allein in die Schulklasse zu gehen. Er kehrte um und lief den ganzen Weg von Pöttmes nach Schorn zurück. Mit dem Ende des Krieges 1945 war 1949 nationalsozialistisches Gedankengut teilweise noch immer in den Köpfen der Menschen. Hans Mühlpointner wurde wegen seiner sonnengebräunten Haut als „Negerbatzi“ und Schlimmeres beschimpft und verhöhnt, auch Erwachsene riefen ihm Schimpfwörter nach, bis er außer Sicht war. Er litt sehr darunter. Anfangs unterrichteten Klosterfrauen an der Pöttmeser Schule. Schwester Constantine wurde durch einen cholerischen Lehrer, zum großen Kummer und Leidwesen der Kinder ersetzt. Die Schüler wurden täglich angebrüllt, mit Schlägen bestraft, manchmal sogar blutig geschlagen. Nach einem brutalen Vorfall beschwerte sich der Vater eines Jungens, der fast bewusstlos geschlagen worden war. Es hieß: ‚Dem Lehrer sind die Nerven durchgegangen‘. Weiter passierte nichts. Die Kinder waren diesem gewalttätigen Mann schutzlos ausgeliefert. „Die Schulzeit war die schlimmste Zeit meines Lebens“, erinnert sich Hans Mühlpointner.
Nach der Schule besuchte der junge Mann zwei Jahre die Berufsschule in Pöttmes, wo er Landwirtschaft lernte. Er half weiter auf dem elterlichen Hof, verdingte sich zusätzlich als Maurer und Hilfskraft in der Brennerei in Schorn. Hans Mühlpointner verdiente seinen Lebensunterhalt mit schwerer körperlicher Arbeit. Dennoch erwachte bereits damals in ihm das Bedürfnis seine Beobachtungen des Alltags zu Papier zu bringen. Er begann Gedichte zu schreiben. Somit entstand ein Gedichtband, welchen er heute mit Stolz vorzeigt.
Mit 31 Jahren war der junge Landwirt immer noch ledig. Seine Mutter drängte ihn, sich eine Frau zu suchen. Um vernünftig Landwirtschaft zu betreiben, hieß es, braucht ein Bauer eine Frau an seiner Seite. Beim Volksfest in Schrobenhausen lernte er eine Frau näher kennen. Sie sprachen etwas miteinander und er besuchte sie daheim. Dann wurden sie ein Paar und heirateten. Seine Ehefrau brachte ein Kind mit in die Ehe. 1970 übernahm Hans Mühlpointner den Hof mit 26 Kühen, Schweinen und Ackerbau. Das Leben in einem Mehrgenerationenhaus war für das junge Ehepaar nicht einfach. Zurückblickend meint Hans Mühlpointner, dass er heute ganz anders handeln würde – nicht zweckmäßig, sondern mit Gefühl. Er hat eine Tochter, zwei Söhne und 4 Enkelkinder.
Der Fünfundachtzigjährige erzählt liebend gerne Geschichten. Beim Erzählen strahlt sein Gesicht, er lächelt verschmitzt und präsentiert prägnante Anekdoten. Anhand der Tagebucheintragungen seines Vaters, Erzählungen von Verwandten und seinen persönlichen Erlebnissen, verfasste Hans Mühlpointner ein Buch: „Die Kriegserlebnisse des Soldaten Max Mühlpointner und Ereignisse in der Heimat von 1940 bis 1946“. Mit seinem ausgeprägten Beobachtungs- und Erinnerungsvermögen weiß Hans Mühlpointner genau, wie es damals war: z.B. beim Torfstechen, als Münzen aus napoleonischen Zeiten oder Wertsachen, die Menschen auf der Flucht begraben hatten, gefunden wurden. Er beschreibt seine Erfahrungen als Ministrant. Auswendig und ohne Fehler kommen ihm die lateinischen Messgebete von den Lippen. „Wenn ich nicht schlafen kann, sage ich sie auf“, berichtet er. Trotz allem, was er in seinem Leben durchmachen mußte, hat Hans Mühlpointner immer noch ein Auge für das Schöne und das Gute auf dieser Welt, wie seine Gedichte bezeugen.


Meine Heimat

Schorn steht wie ein Zwerg
Vor dem großen Gumppenberg.
Im Norden ist der Fuchsenberg,
Im Osten ist der Abenberg,
Im Süden ist der Galgenberg.

Den Weiher an der Kapelle
Speist vom Bleitzhof her die Quelle.
An der Sandgrube steht das große Bienenhaus,
da fliegen die Bienen ein und aus.

Wenn Lerchen, Stare, Schwalben kommen,
dann hat der Frühling schon begonnen.
Und wenn die Amsel singt und der Kuckuck ruft,
dann wird es wieder grün,
wo dann Blumen und auch die alten
Schorner Rosen wieder blühen.

Im Sommer wachsen in den Feldern rings um Schorn
Gerste, Hafer, Weizen und das Korn.
Wo über den Fluren der Bussard kreist,
und wo der Weg zur Kirche weist,
und wo im Herbst vom Donaumoos bis zum Schloss
und dem alten großen Eichenbaum,
Hängt ein langer Nebelsaum.

Im Winter über den Fluren streift ein kalter Wind,
wo Rebhuhn, Fuchs, Wildschwein, Reh und Hase sind.
Wo zu Weihnacht auch in jedem Haus
Ein Christbaum steht,
dann geht jeder Christ auch zur Kirche hin.
Das ist Schorn wo ich geboren bin.

Hans Mühlpointner


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