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Bildung ist Macht

Mary-Ann Stotko • 18. September 2023

Heidemarie Schumacher  (geb. 6. Januar 1947)

Im Jahre 1947 kam Heidemarie Schumacher im Pöttmeser Krankenhaus auf die Welt. Sie wuchs mit vier Geschwistern in Gundelsdorf auf. Im Haus lebten zeitweise 13 Personen auf engem Raum: Heidemaries Familie, eine verwitwete Tante mit ihren 2 Kindern und im ersten Stock eine 5-köpfige Familie aus Gundelsdorf zur Miete. Schon in jungen Jahren mußte Heidemarie begreifen, dass das Leben ein harter Überlebenskampf ist. Schicksalsschläge konnten nur mit Eigeninitiative, Ehrgeiz und Fleiß überwunden werden um das Beste aus dem Leben zu schöpfen. Der zweite Weltkrieg hat ihre Eltern schwer gezeichnet. Schwer verletzt kehrte der Vater zurück, er verlor einen Arm, was sein Leben und das Leben seiner Familie erheblich beeinträchtigte. Die Mutter war Kriegsflüchtling. Sie musste ihre Familie zurücklassen und verlor die Ostpreußische Heimat. Selbst ihre Religion blieb ihr nicht erhalten. Um ihren Mann heiraten zu dürfen, konvertierte Heidemarie  zum Katholizismus. Mischehen zwischen evangelischen and katholischen Christen waren damals nicht erlaubt.
Die Tatsache, dass der Vater einer Gundelsdorfer Unternehmer- und Bauernfamilie entstammte, hat das Leben der Familie nicht erleichtert. Durch die Kriegsverletzung konnte ihr Vater keinen üblichen Berufsweg einschlagen. Um seine Frau und fünf Kinder zu ernähren, baute er Erdbeerfelder an, verkaufte Erdbeerpflanzen im Sommer und Christbäume im Winter. Als „Ananas Toni“* war er weit und breit bekannt: Der Pionier des Erdbeeranbaus in Gundelsdorf. Selbständigkeit floss seit Generationen in den Adern seiner Familie. Mit diesem Selbstverständnis baute der Vater trotz der Beeinträchtigung eine eigene Existenz auf.
Wie ein roter Faden zogen sich Entbehrungen und Bescheidenheit durch Heidemaries Kindheit. Die Zeiten waren grausam. Mit der Arbeit auf dem Feld und dem Schlachten des Federviehs auf dem elterlichen Bauernhof ihres Ehemannes leistete die Mutter ihren Beitrag zum äußerst bescheidenen Lebensunterhalt.
Essen war knapp. Das Leiden der Mutter and der ewig kämpfende Vater erweckten in Heidemarie das starke Verlangen nach einem anderen Lebensweg.
Heidemarie sah Bildung als einzigen Weg um aus den armseligen Verhältnissen und in finanzielle Stabilität zu gelangen. Nur harte Arbeit und Weiterbildung würden Erfolg, Würde und Zufriedenheit bescheren. Doch die Gundelsdorfer Schule bot keinen guten Start. Den Nachkriegszeiten entsprechend gab es nur ein Klassenzimmer. Die Schule lief im Schichtbetrieb: Morgens hatten die Kleinen Unterricht und nachmittags die Großen. Lernen wurde aus heutiger Sicht stiefmütterlich verfolgt. Unterrichtsstunden wurden u. a. zum Holz anrichten genutzt, manchmal auch um beim Bäcker Proviant für den Lehrer zu holen. Von der Dorfschule ging Heidemarie nach Augsburg in die Mittelschule (der heutigen Realschule). Sie träumte davon Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin zu werden. Dazu hätte sie studieren müssen. Das war finanziell nicht denkbar. Bei der Post in München nahm sie eine Stelle an. Tagsüber arbeitete und nachts studierte sie, so verfolgte sie konsequent ihr Ziel sich weiterzubilden.  Als erstes machte sie am Abendgymnasium ihr Abitur und später erreichte sie an der Sabel-Akademie München ihren Abschluss als Praktischer Betriebswirt. Im Jahr 1977 heiratete sie Dr. Friedich Schumacher - da hatte sie bereits 13 Jahre gearbeitet und eine Weltreise unternommen. Mit den Geburten der zwei Töchter, widmete sie sich einige Jahre der Familie.
Als die Kinder 5 und 6 Jahre alt waren, nahm sie eine Halbtagsstelle bei einem Weltkonzern in München an. Obwohl sie klein anfing, erreichte sie durch Weiterbildung and harte Arbeit den erwünschten Erfolg. Heidemarie Schumacher verkörpert den Spruch „Man lernt nie aus“. Nach dem Auszug der beiden Mädchen, studierte sie Politikwissenschaft an der LMU in München. Da die Vorlesungen erst um 16 Uhr begannen, konnte sie das Studium mit ihrer Arbeit perfekt verbinden. Im Jahre 2012 schloss sie das Studium ab. Vier Monate nach dem sie in Rente ging, absolvierte sie die letzte Prüfung.
Stolz und zufrieden blickt sie auf wunderbare Berufsjahre zurück, bereichert durch internationale Verbindungen und einen Aufenthalt in den USA an der Johns Hopkins University in Washington. 

Seit 6 Jahren engagiert sie sich als Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache (DaZ), Sprachförderung und Alphabetisierung für Flüchtlinge an der Grund- und Mittelschule Pöttmes. Was möchte sie den Kindern mitgeben? Sprache und Werte. Als junges Mädchen wollte Heidemarie Lehrerin werden. Nun, nach einer erfolgreichen Karriere in der Wirtschaft, verwirklicht sie diesen Traum, Kindern durch Bildung Aussicht auf bessere Chancen im Leben zu vermitteln. Ihr ist es wichtig ihre Lebensweisheit weiterzugeben: Bildung ist Macht. Anstatt sich machtlos Lebensumständen zu unterwerfen, kann Bildung zu einem neuen, besseren und in Zufriedenheit geführtem Leben führen.
*(im Volksmund hießen Erdbeeren Ananas)

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