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Das schicksalhafte Leben des Odam Schorsch

Mary-Ann Stotko • 31. August 2020

Georg Bernet *20.08.1923

Am 20.08.1923 erblickte Georg als 3. Kind der Bäckerfamilie Bernet in Haslau, heute Hazlov/CZE, das Licht der Welt. Nach dem Schulabschluss an der Bürgerschule trat Georg in die Fußstapfen seines Vaters und absolvierte eine 2-jährige Lehre in der heimischen Bäckerei. Anschließend führte ihn sein Berufsweg als Konditorlehrling für 3 Jahre in die Kreisstadt Eger, die erste Verpflanzung aus seiner Heimatstadt, zu der es nie wieder ein Zurück geben sollte.

1941, kurz vor Ende seiner Lehrzeit, verschlug es den jungen Georg aus der filigranen Konditor-Welt in den Arbeitsdienst nach Tepl/CZE. Sich an das von Pflicht, Gehorsam, Disziplin und Militärübungen reglementierte Leben zu gewöhnen, fiel Georg schwer. Und das war erst der Anfang, Georgs handwerkliches Dasein als Bäcker und Konditor erschien ihm da wie ein Traum. Im März 1942 begann in Slaný bei Prag die Grundausbildung für den Militärdienst. Im September, in Würzburg eingekleidet, wurde er mit seiner Einheit per Schiff nach russisch Karelien, Staraja Russa, Nordwestrussland, transportiert. Nun war er Soldat an der russischen Front. In dieser eisigen Gegend, wo die Sonne im Winter verborgen bleibt und Temperaturen bis auf -52°C sinken, verbrachte Georg Bernet zwei Jahre als Zugmelder im Gebirgsjägerregiment 206. Lebenserfahren meint er: „Der Mensch kann sich an alles gewöhnen.“ Diese Einstellung half ihm in den kommenden schweren Zeiten. Im Oktober 1944 begann der Rückzug: 988 Kilometer zu Fuß und auf Skiern nach Mosjøen in Norwegen. Dieser Marsch durch den polaren Winter, den viele nicht lebend überstanden, dauerte bis Kriegsende im Mai 1945. Von Narvik aus wurde er als deutscher Kriegsgefangener per Schiff nach Bremerhaven und anschließend ins Arbeitslager nach Rennes/FRA verfrachtet. Zermürbt von der Knochenarbeit im Steinkohlebergwerk und stetig nagendem Hunger erfuhr Georg unverhofft Glück im Unglück. Aufgrund eines in der Kindheit nicht operierten Leistenbruchs, verschlechterte sich sein bereits stark geschwächter Gesundheitszustand. Der Lazarettarzt verordnete eine frühzeitige Entlassung - aber wohin? Ein zu Hause gab es nicht. Haslau war nun unter tschechischer Herrschaft, die Familie vertrieben. Der mitentlassene Paul Seefried, sen. aus Gundelsdorf bot Georg Bernet eine Unterkunft auf dem Hof seiner Familie an. So begann am 7. Juni 1946 Georg Bernets neues Leben in Gundelsdorf. Da herrschte Not, aber keine Hungersnot. Er arbeitete und lernte die Landwirtschaft kennen, dennoch die Sorge um seine Familie ließ ihn nicht ruhen. Durch die Registrierstelle in Wiesau fand er sie in Wallau bei Marburg. Voller Freude auf das Wiedersehen, zog er dorthin. In diesen schweren Nachkriegszeiten, Lebensmittel waren Mangelware und die Preise hoch, hatten es wie alle Vertriebenen auch die Eltern und Geschwister besonders schwer. Georg entschloss sich nach Gundelsdorf zurückzukehren. Da gab es auf dem Hof vom ‚Sodalaschmied’* das Nötigste zum Leben und er konnte seine Familie mit Lebensmitteln unterstützen. 1948 nahm er bei der ‚Konditorei Frey’ in Augsburg wieder seinen Beruf als Konditor auf. Die Liebe ließ nicht lange auf sich warten. Beim Tanzen lernte Georg Bernet die Gundelsdorferin Theresia Vockreiter, die Odam Res genannt***, kennen. Mit ihrem Vater bewirtschaftete sie das Odam-Anwesen**. 1949 heirateten Georg und Theresia. Sechs Jahre lang verbrachte Georg die Woche arbeitsbedingt in Augsburg. Frau, Kinder und auch der Hof kamen zu kurz. Georg stand vor einer Entscheidung: Mit seiner Familie nach Augsburg ziehen oder den Beruf wechseln. Seiner landgebundenen Frau konnte er das Leben in der Stadt nicht zumuten, also nahm er eine Arbeit beim ‚Baugeschäft Brecheisen’ in Gundelsdorf an. Nur in den Wintermonaten arbeitete er beim ‚Frey’. Georg Bernet übte verschiedene Berufe aus: Er war Landwirt, übernahm und baute den maroden Hof komplett neu auf. Bis 1964 arbeitete er als Bauhelfer und bis zur Rente als Lackierer. Von 1965 bis zum Jahr 2000 war er auch Grabmacher und als der Ortsbäcker Peter Schönauer im Alter von 68 Jahren verstarb, war er aushilfsweise über 20 Jahre lang wieder als Bäcker tätig. Mit Odam Res, seiner treuen Frau, durfte er 67 glückliche Ehejahre verbringen. Bis zu ihrem Tod 2017 dankte sie ihm jeden Abend vor dem Schlafengehen mit einem „Vergelt‘s Gott und gute Nacht“. Ihre liebevolle Dankbarkeit – daran muss der Odam Schorsch immer wieder denken. Zurückblickend gesteht er, dass die Umstellung damals auf die Landwirtschaft nicht einfach war, aber er bereut nichts. „Wir sind eine große Familie: 5 Kinder, 12 Enkel, 13 Urenkel und 2 Ur-urenkel und vor allen Dingen beieinander. Das ist die Hauptsache“, resümiert er zufrieden. Über 97 Jahre hinweg, die schweren Kriegsjahre, Gefangenschaft, die verlorene Heimat, Familiengründung und vielseitiges Arbeitsleben, bleibt Georg Bernet stets zuversichtlich, sein Motto: „Man kann nie so am Boden liegen, dass es nimmer weiter geht!“

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