Einigkeit und Freiheit. Das war die Antwort auf die Quizfrage „Was steht auf dem Fünferschein?“ bei einer Jugendversammlung, erinnert sich Walburga Sturm. Rückblickend auf ihr Leben, stellt sie fest, dass diese Werte ihr ganzes Leben prägen. Schon als Kind am Familienhof in Wiesenbach erlebte Walburga Einigkeit. Es war Kriegszeit. Heimatvertriebe aus Mähren und ausgebombte Augsburger suchten Unterschlupf. Um den Kirchgang aufzuheitern, ertönte sonntags manchmal Marschmusik vom neumodischen Plattenspieler.
Walburgas Eltern nahmen drei Familien auf. Betten wurden notdürftig aus Ästen gezimmert. Gemeinsam teilteman sich eine Wasserleitung und jeder half mit: im Haushalt, am Hof, im Gemüsegarten, wo auch immer es Not tat. Mit den Flüchtlingskindern wuchs die Klasse in der Wiesenbacher Schule auf 70 Kinder an. Lampen gab es nicht. Im Dunkeln lernten sie Rechnen. Da wurde das Köpfchen geschult. Für Schönschreiben und Benehmen gab es Noten. Auf dem Hof war harte Arbeit angesagt aber gelegentlich tanzten und sangen alle gemeinsam, samt Knechten und Mägden, zu Schlagern und Volksmusik in der Stube. Nach Schulabschluss arbeitete Walburga am heimischen Hof. Sie besuchte die Landwirtschaftsschule in Echsheim und mit 18 kam sie in die Hauswirtschaftsschule nach Neuburg. In der Freizeit nahm sie an Veranstaltungen vom katholischen Jugendprogramm teil. Da ging es bei weitem nicht nur um Religion. Junge Menschen kamen zusammen und hörten Reden und Vorträge. Mit ihrer Mädchengruppe besuchte Walburga Kurse in Nähen, Tapezieren und Malerarbeiten, Gemüseanbau, Ernten und Einmachen. Es war eine wunderbare gesellige und lehrreiche Zeit.
Mit 21 Jahren machte Walburga als erste in der Familie den Führerschein. Damals war das ein zweiwöchiges Unterfangen. Aber die Wartezeit für ein Auto betrug ein Jahr. Dann endlich 1950 am Steuer eines VWs, erlebte Walburga eine neue Freiheit: Sie holte Freunde ab und gemeinsam unternahmen sie zahlreiche Ausflüge.
Die katholische Landvolkshochschule in Petersberg bei Dachau ist in ihrem Gedächtnis großgeschrieben. Da wurden mehrwöchige Kurse angeboten, Reisen und Besichtigungen unternommen. 1959 verbrachte Walburga dort Monate. Ein Nachbar empörte sich bei ihrem Vater: „Du bist ja ein netter Mann, lässt deine Tochter herumflacken und musst dann Tagelöhner bezahlen, um die Arbeit zu machen.“ Von dieser Weiterbildung schwärmt und zehrt die 84-jährige noch heute. Sie war in Rom, hat die Welt kennengelernt, aber auch das KZ in Dachau war Teil des Weiterbildungsprogramms. An einem Tanzabend lernte sie Dominikus Sturm kennen. Um ihr Herz zu erobern, musste er seine „starrigen“ Beine erst einmal sortieren und einüben. 1967 heiratete das Paar. Ihnen wurden 4 Kinder geschenkt, nun sind es 10 Enkelkinder. Wie früher lebt sie als Mitglied der Großfamilie mit ihrem Sohn und seiner Familie auf dem ehelichen Hof, nur ein paar Häuser weiter vom Familienhof. Sie arbeitet im Stall und hütet die Enkelkinder.