Der Familienstammbaum von Heine Sauerlacher ist der Blick auf eine Pöttmeser Schneiderdynastie. Seit Generationen dominiert die Schneiderei die Berufslandschaft der Handzeller Familie. Und für Heine Sauerlacher kam auch nichts anderes in Frage. Heine war das jüngste der zehn Sauerlacher Kinder. Er verlor beide Eltern früh. Seine Mutter starb als er 9 Jahre alt war, und zwei Jahre später wurde er Vollweise. Nach dem Tod des Vaters machte Heines Bruder Ludwig seinen Meister und übernahm die Familienschneiderei. Als Heine die 8. Klasse absolviert hatte, erfolgte der nächste Schritt ganz automatisch: Er machte in der heimischen Schneiderei eine drei-jährige Lehre und blieb dort bis er - damals noch - als Wehrpflichtiger zum Wehrdienst eingezogen wurde.
Die 18 Monate bei der Bundeswehr in Neuburg, verbrachte Heine Sauerlacher nicht etwa mit soldatenhaften Aktivitäten. Der Zufall wollte es, dass der Zivilist, der die Schneiderarbeiten für die Bundeswehr erledigte, erkrankte. Da bot es sich an, dass Heine die Arbeit übernahm und fleißig nähte, während sich seine Kameraden durch die Grundausbildung quälten. Seine Dienste waren stets gefragt, von Knöpfe annähen, bis hin zu Hosen enger machen für modebewusste Offiziere. Und nebenbei half Heine seinem Bruder Ludwig die vielen Aufträge zu Hause zu bewältigen. Nach dem Wehrdienst nahm Heine Sauerlacher eine Stelle bei der Firma „Herrenmode Schmidt“ in Augsburg an. Schon zu der Zeit läutete die Industrialisierung im Schneiderhandwerk und damit die Möglichkeit der Konfektionsfertigung das Ende der handwerklichen Maßschneiderei ein. Anstatt sich Kostüme und Maßanzuge für besondere Anlässe beim Schneider anfertigen zu lassen, wurde Fertigware (Mode von der Stange) verlangt. Die wenigsten waren bereit mehr Geld für qualitativ hochwertigen Stoff und die 40 Arbeitsstunden, die zur Herstellung eines maßgeschneiderten Anzuges notwendig sind, zu bezahlen. Nach drei Jahren kündigte er seine Stelle und passte sich der neuen Entwicklung an.
Er wechselte zu C&A nach Augsburg als Verkäufer in der Herrenabteilung. Seine Jahrzehnte lange Erfahrung als Schneider verschaffte ihm Respekt bei den Kunden, die gleich merkten, dass Stoffe, Schnitte und Passform seine Welt waren. Seine fachkundige und damit wertvolle Beratung war unter den Kunden gefragt. Es folgten 30 Jahre als Verkäufer ...
... bis wieder einmal der Konsum den Zeitgeist und damit den Arbeitsalltag beeinflusste. Die Kundschaft änderte sich. Wertschätzung gegenüber qualitativer Beratung geriet in Vergessenheit. Die Kunden kamen in das Geschäft, fragten nicht mehr, probierten willkürlich an und hinterließen die Herrenabteilung wie einen Bazar. Die Arbeit machte so keinen Spaß mehr. Heine Sauerlacher ging in Rente.
Heute arbeitet Heine Sauerlacher immer noch mit den historischen Nähmaschinen in seiner Werkstatt im Keller. Dort verrichtet er mit seiner Frau für Verwandte und Bekannte wertvolle Schneiderarbeiten – manchmal auch auf dem Tisch im Schneidersitz. Ein Leben für das Schneiderhandwerk: Einmal Schneider, immer Schneider.