An einem Frühlingstag wacht die zehnjährige Zenta auf. Es ist ein lebensverändernder Tag. Ab diesem Tag muss Zenta ohne ihre Mutter auskommen.
Der Tod der Mutter ist für Zenta und ihre drei Brüder – vier, fünf und sechs Jahre alt – schwer zu verkraften. Für den Vater ist der Alltag mit vier Kindern, Vieh und Feldern kaum eigenhändig zu bewältigen. Er braucht eine Frau, die seine Kinder mitversorgen kann und die harte Arbeit am Hof nicht scheut. In Anna Echerer, einer vierunddreißigjährigen Frau aus Neukirchen, findet er eine solche Frau. Sie stellt sich der Herausforderung ihr Leben einem fremden Mann anzuvertrauen, über Nacht Mutter von drei Söhnen und einer Tochter zu werden und die zermürbende Arbeit am Hof zu übernehmen. „Des tat heutzutage keine,“ meint die 93 jährige Zenta.
Nach kurzer Zeit erobert die liebevolle neue Mutter die Herzen der Kinder. Das Ehepaar wächst zusammen, erledigt das Tageswerk gemeinsam. Jede Woche wird Brot gebacken ‑ er bringt die Kohlen zum Glühen, reicht ihr die Zutaten, sie knetet und bäckt. „Bet und arbeit, Gott hilft allezeit“ ist ihr Motto.
Anna Schlicker bekommt eigene Kinder, zwei Buben und dann endlich ein Mädchen: Anna. Zenta ist da siebzehn Jahre älter als ihre Schwester. Wie eine zweite Mutter, hört sie zu und spendet Trost. Unter den vielen Brüdern halten die zwei Schwestern zusammen.
In 1952 heiratet Zenta nach Kühnhausen. Sie fehlt Anna sehr. Doch Familie heißt gemeinsam anpacken und beim Hausbau und Kinder betreuen, kann Zenta auf ihre Schwester zählen. Anna ist stets zur Hand. Der Familenkreis lebt weiter.
Heute sitzen Zenta und Anna an einem lauen Sommer Tag beisammen, Schwestern seit 75 Jahren, und denken an die starke, gutgläubige Mutter, die aus der Not heraus eine Ehe einging und eine unvorstellbare Aufgabe mit Liebe und Hingabe gemeistert hat. Eine Ehe die Zenta ihre Schwester schenkte. Auf die Frage wer ein Vorbild für das Leben gewesen ist, antworten beide Schwestern wie aus einem Munde: die Mutter.