Am Heiligabend 1928 wurde Magdalena Geisinger auf einem Hohenrieder Hof geboren. Gleich am nächsten Tag wurde sie getauft, das war damals so üblich. Bei eisigen minus 25 Grad ging es zu Fuß in die Kirche. Die Taufpatin, Schwester ihres Vaters, genannt die ‚Dodler‘, hielt Magdalena ganz fest. Sie traute ihren von Rheuma geplagten Armen nicht ganz zu, das Baby sicher in die Kirche zu bringen.
Das Leben ihrer Mutter war ein täglicher Kampf: Der Ehemann, zwar lebend aber durch die Erlebnisse erschüttert und schwer depressiv aus dem 1. Weltkrieg zurückgekommen, vier kleine Kinder und somit die Verantwortung für den Hof, die Existenz aller. Als dann Magdalena 4 Jahre alt war, nahm sich der Vater das Leben. Tagelang wurde er im Kinderschlafzimmer aufgebahrt. Magdalena und ihre 3-jährige Schwester verstanden nicht, was mit dem Vater war: Sie versuchten ihn zu füttern.
Kurz darauf heiratete die Mutter wieder. Zweckehen die dem Überleben dienten, waren damals gang und gäbe. Bald meldete sich Nachwuchs an.
Schon als Kind war Magdalena am liebsten draußen im Freien. Die 92-jährige denkt heute noch mit einem Lächeln an den halbstündigen Fußweg von Hohenried nach Willprechtszell in die Schule. Mit anderen Kindern Kind sein zu dürfen, weg von daheim, wo der Tag mit harter Arbeit und Pflicht gefüllt war. Unter freiem Himmel unbeschwert spielen war einfach herrlich. Sie ging so gerne in die Schule, dass sie weinte als die 7-jährige Schulzeit vorbei war.
Mit 15 Jahren verstarb Magdalenas Mutter an Krebs. Die Familienkonstellation änderte sich erneut: Ihr Stiefvater heiratete eine Frau, die ein Kind mit in die Ehe brachte.
Der Alltag des jungen Mädchens bestand aus harter körperlicher Arbeit: Den Gemüsegarten, die Felder und Äcker von Hand bewirtschaften; Getreide und Heu mähen, bündeln und in die Scheune zum Dreschen führen. Ein Jahr später verließ Magdalena ihr Zuhause und zog nach Schönleiten wo sie als Magd auf einem Bauernhof diente. Das zähe Leben in der Landwirtschaft war sie ja gewohnt. „Lernen war nicht üblich für Bauernkinder“, sagt sie. „Ich war lieber fort als daheim. Da gab es was G‘scheits zum Essen und 50 DM im Monat“.
Beim Tanzen unter den Kirschblüten, auf einem Gartenfest in Hohenried, lernte die damals vierundzwanzigjährige Magdalena ihren Mann Edmund Kandler kennen. „Er war hellhäutig mit milchweißen Beinen in kurzen Lederhosen und ich, gebräunt von der Feldarbeit: „Gegensätze ziehen sich an“, lacht die alte Dame. Die Vermählung ließ nicht lange auf sich warten. Zu ihrer Enttäuschung musste die Braut die Hochzeitstracht ihrer Mutter tragen. „Ich wäre auch gern städtisch gegangen. Aber der Stiefvater hat es nicht erlaubt“, erzählt Magdalena Kandler.
Sie brachte eine weibliche Note auf den Ebenrieder Hof, wo bis dahin ihr Mann und Schwiegervater alleine residierten. Eine unentbehrliche Hilfe mit den Hofarbeiten und ihren sechs Kindern war die ‚Dodler‘. Bereits zur Taufe stand die Tante Magdalena zur Seite und nun zog sie in das Familienhaus ein: Immer eine helfende, vertraute Hand. Gemäß dem Motto sich gegenseitig zu helfen war das Großfamilienleben für alle eine Bereicherung und trug zur allgemeinen Zufriedenheit bei. Draußen auf dem Felde ging es gesellig zu. Es war ein Miteinander. So war das Leben trotz harter endloser Arbeit schön. Gemeinschaft war wichtig. Jeder im Umfeld betrieb Landwirtschaft und war selbstverständlich für den anderen da. Genügsamkeit und Zufriedenheit begleiteten Magdalena durch das Leben, in guten und in schlechten Zeiten. Fleißig und großzügig galten ihre Gedanken und Taten immer zuerst den anderen.
Mit 92 Jahren lebt Magdalena Kandler heute noch auf dem Familienhof in Ebenried. Die Frucht der Großfamilie lebt weiter: Versorgt von ihren Kindern, genießt sie ihr Lebensabend, stets dankbar, zufrieden und glücklich.