Drei Jahre nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht (1939) in der Tschechoslowakei erblickte Othmar Kahlig in Petersdorf (heute Hraničné Petrovice) an der deutsch-tschechischen Grenze das Licht der Welt. Damals, in 1941, trug seine Mutter die Last der Verantwortung für Hof, Kinder und Großeltern alleine. Der Vater war im Krieg. Während der Kriegsjahre herrschte Unsicherheit und Angst. Zwar befreiten 1946 die Alliierten die damalige Tschechoslowakei von der Deutschen Wehrmacht. Dennoch wurde zwischen den Großmächten, USA und Russland, bzgl. Herrschaft über die Region verhandelt. Am Karfreitag 1946
betrat ein bewaffneter Mann den Hof und sagte auf tschechisch: „Ted’ je to moje“ (Jetzt gehört das mir). Unverzüglich musste die fünfköpfige Familie Kahlig mit dem neugeborenem Brüderlein den Hof verlassen und bis auf die Kleidung, die sie am Leibe
trugen das gesamtes Hab und Gut zurücklassen. Ihr Schicksal: Vertreibung! In Viehwaggons gepfercht, brachte der Zug die
Heimatvertriebenen ins Ungewisse. Die Enge und Dunkelheit im Waggon, der Eimer in der Ecke für die Notdurft und wie er, der damals fünfjährige Othmar, hochgehoben wurde und durch den Lichtschlitz zum ersten und letzten Mal in seinem Leben die Stadt Prag sah, das erinnert Pfarrer Kahlig wie heute. Nach zwei Tagen hielt der Zug in Furth im Wald an. Amerikanische Soldaten nahmen die Flüchtlinge in ihre Obhut. Entlaust, der tschechischen Papieren entledigt und mit deutschen Papieren ausgestattet,
ging es weiter nach Augsburg und Schwabmünchen. Im Herbst des Jahres zog Familie Kahlig in Langerringen in einen ihnen zugewiesenen Hof. Der Vater fand Arbeit bei einer Baufirma in Augsburg. Schon als kleiner Junge fühlte sich Othmar Kahlig in
der Kirche heimisch. Täglich besuchte er vor seinem halbstündigen Fußmarsch zur Schule die Heilige Messe. Sein sehnlichster Wunsch war es, Ministrant zu werden. Mehrmals fragte er beim Pfarrer nach erhielt aber nie eine Antwort. Schließlich hieß es:
Flüchtlingskinder sind unerwünscht. Den Schmerz spürt der Pfarrer noch heute. Nach der 5. Klasse setzte sich ein neuer Pfarrer dafür ein, dass Othmar Kahlig ins Gymnasium kam. Er besuchte St. Stephan in Augsburg und war glücklich. Allein der Unterricht in Latein und Griechisch waren für ihn eine besondere Herausforderung. In der neunten Klasse mussten alle Schüler aufschreiben, was sie mal werden möchten. Für Othmar Kahlig war es damals schon ganz klar: Pfarrer. Er studierte in Dillingen und wurde 1967 zum Priester geweiht. Das Leben als Priester heißt: Immer auf Abruf sein, dem Willen der Kirche folgen und
dorthin gehen wo man hingeschickt wird. Am 1. August 1967 kam Othmar Kahlig als Aushilfspfarrer nach Schiltberg um den herzkranken Osterzhauser Pfarrer mit der Arbeit in den umliegenden Gemeinden und in den Schulen zu unterstützen.
Obwohl er nur ein halbes Jahr diese Stelle inne hatte, blieben unvergessliche Momente: Bei einer Autofahrt mit der Schwester vom Pfarrer und einer Bekannten kippte das Auto auf dem schneebedeckten Waldweg und landete auf dem Dach. Man erzählt noch heute: „Pfarrer Kahlig hat zwei Pfarrhaushälterinnen dazu gebracht, einen Kopfstand im Auto zu machen!“ Oder:
Beim Traugespräch mit einem Brautpaar brach plötzlich mit einem gewaltigen Knall die Toilette vom Obergeschoss durch die Decke hinunter. Die Reise als Priester führte ihn als Benefiziat über Öttingen im Ries nach Kaufbeuren und schließlich von 1986-2011 als Pfarrer nach Gundelsdorf. Nun lebt er seit 10 Jahren im Ruhestand (i.R. = in Rufweite/in Reichweite ;-) in Pöttmes.
Ostern 2020-Gottesdienst für Hs Hildegard,:Ein Witz zum Ende des Gottesdienstes für die Hausbewohner
Heute blickt Pfarrer Kahlig zurück und erkennt, dass die Kirche von Kindesbeinen an sein Leitstern war. Als einst vertriebenes, der Heimat beraubtes Kind fand er dort Geborgenheit; als Erwachsener, seinen Platz im Hause Gottes. Dass das Priestertum sein
Opfer verlangt, immer gehorchen, immer „doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ leben, hat er selbstverständlich akzeptiert. Und die große Liebe? Pfarrer Kahlig erzählt, er hätte nie das Gefühl gehabt etwas versäumt zu haben. Was zählte, war nicht seine Person, sondern die Seelsorge in der Gemeinde und der Gemeinschaft im Dienst der Kirche. Er musste stets viel arbeiten, Zeit zum Grübeln gab es kaum. Und mit Humor gewappnet, lebt es sich leichter. Bei Krankenbesuchen setzt der Pfarrer
Witze als Medizin ein; zum Ende eines Gottesdienstes entlässt er die Kirchgänger mit dem Segen und einem Lächeln. Gerne stöbert er durch die vielen Fotos, die er als leidenschaftlicher Fotograf über die Jahrzehnte knipste – eine visuelle Dokumentation der Pfarreien und Menschen, die ihn durchs Leben begleiteten.
Trotz Ruhestand, kommt Pfarrer Kahlig nicht unbedingt zur Ruhe. Als Aushilfe ist er noch oft im Einsatz. Einmal Pfarrer, immer Pfarrer.