Rudolf Diwo erblickte am 11 Januar 1943 im Zimmer 1 des Pöttmeser Krankenhauses das Licht der Welt. Sein Vater arbeitete als Unterverwalter am Dieshof, welcher damals zu Schloss Schorn gehörte. Seine deutsch-sprachigen Eltern stammten aus Cenei, einem geschichtsträchtigen Dorf der österreichisch-ungarischen Monarchie, das im Jahre 1924 dem damaligen Königreich Rumänien zugeteilt wurde.
Kurz nach Diwos Geburt, musste sein Vater in den Krieg ziehen. Als er drei Jahre später zurückkehrte, war er dem Sohn völlig fremd. Zu der Zeit wohnten Rudolf und seine Mutter in Pöttmes, im „Viertel“ bei der Schwedenstraße. Die Mutter brachte vier Kinder zur Welt. Nur Rudolf überlebte. Er besuchte die Schule in Pöttmes, die ersten drei Jahre in der sogenannten ‚Ratzenschule‘, welche sich die Räumlichkeiten mit der Feuerwehr und dem Leichenwagen teilte. Danach fand der Unterricht im ‚Unteren Torbogen‘ statt. Sieben Jahre lang hatte Rudolf denselben Lehrer, mit dem er bis zu dessen Tod im engen Kontakt stand.
Nach der 8. Klasse absolvierte Rudolf eine Ausbildung zum Radiomechaniker. Mit der Entwicklung neuer Technologien änderte sich dieser Beruf zum Fernsehtechniker, Radio- und Videoelektroniker und schließlich zum heutigen Kommunikationselektroniker. Rudolf fand als qualifizierter Radiomechaniker Arbeit in Ingolstadt und später in einer leitenden Position bei Ziegler in Pöttmes. Als dieser sein Unternehmen aufgab, war Rudolf 50 Jahre alt. Viele Möglichkeiten gab es nicht: Er machte sich selbstständig und öffnete ein Elektrogeschäft in Pöttmes. Die Anfangsjahre liefen gut, die Kundschaft hat er gerne beraten und geholfen, wo er konnte. Er verkaufte alles von den einfachsten Sicherungen bis zum hoch modernen Fernsehgerät, Wasch- und Spülmaschinen oder Kühlgeräte. Das Geschäft war ein Ort, wo Einkaufen öfter mit einem Schwätzchen verbunden war. Rudolf kannte seine Kundschaft. Viele kamen aus den umliegenden Ortschaften.
Aber die Zeiten änderten sich. Die rasanten technologischen Entwicklungen hinterließen tiefe Spuren, in den Berufen, im Konsumverhalten der Kunden und zwangsläufig auch in der Gesellschaft. „Unser Beruf ist nimmer gefragt,“ sagte er. Die vielen Weiterbildungen machten immer deutlicher, wie kurzlebig Elektroprodukte sind: konzipiert und konstruiert, um das Zerlegen und Reparieren fast unmöglich zu machen. Früher wurden neue Elektroteile beschrieben und mit den Schaltplänen geliefert. Da konnte der Elektrotechniker mit den neuen Entwicklungen mithalten. „Die Elektronik war manchmal „hinterfotzig“, aber das hat man im Griff gehabt“, meinte er. Das gibt es nicht mehr, der Reparateur steht, so sagt Rudolf Diwo „in einem schwarzen Loch“. Ziel ist es, den Kunden ein neues Gerät zu verkaufen. Für einen lösungsorientierten Menschen wie Rudolf Diwo, der mit Leidenschaft kaputte Teile zum Laufen gebracht hat, war diese Wende schwierig.
Kleine Geschäfte können nicht mit Supermärkten, Baumärkten und Elektronikkaufhäusern konkurrieren. Die Kundschaft wählt die bequemste Möglichkeit, und kauft dort ein, wo sie in einem Geschäft möglichst viele Einkäufe gleichzeitig erledigen können. Und seit Corona, lässt man sich verstärkt die Produkte bis an die Haustür liefern. Fort gehen zum Einkaufen erübrigt sich. Rudolf Diwo blickte auf seine berufliche Laufbahn zurück, und erzählte schwermütig über die Folgen, die die technologischen Entwicklungen in seiner Branche ausgelöst haben: Es ist eine Wegwerfgesellschaft entstanden, nach der Devise, stets neue Produkte zu kaufen, weil eine Reparatur nicht möglich ist, oder sich nicht lohnt. Das soziale Rundum in Kleinläden, wo man sich kennt, und ein Austausch stattfindet, geht verloren. Das ist der Lauf der Dinge.
Rudolf Diwo verstarb am 7. Mai 2022
Das Interview konnte noch am 7. April 2022 gemacht werden. Wir sind sehr dankbar für diesen zeitgeschichtlich so wertvollen Beitrag.
Interview und Text: Mary-Ann Stotko
Portrait und Lektorat: Ludwiga Baronin Herman